Als ich vor gut und gerne zehn Jahren die Verpackung des Spiels Tropico öffnete, war ich sofort Feuer und Flamme. Schon damals habe ich in der Fachpresse die Entwicklung des Spiels beobachtet und war von der Idee, auf einer karibischen Insel einen Dikatator spielen zu können, sofort begeistert.
Viele Stunden verbrachte ich vor dem Monitor, auch mit dem eher schwachen Tropico 2 und später dem dritten Teil der Serie, der die karibische Insel erstmals in 3D zeigte. War für die ersten beiden Titel noch die amerikanische Softwareschmiede Take 2 verantwortlich, sicherte sich für die Teile drei und vier der deutsche Hersteller Kalypso die Rechte.
Mit Tropico 4 hat Kalypso das Rad nicht neu erfunden. Das war vorher klar und das bestätigte sich beim Spielen dieser Wirtschaftssimulation. Es war ansich schon etwas merkwürdig, dass der dritte Teil 2009 auf den Markt kam und man bereits für das Jahr 2011 Teil 4 ankündigte mit fast identisch aussehenden Screenshots. Um es gleich zu sagen: Wer kein echter Tropico-Fan ist, sollte sich die 45 Euro sparen und warten, bis das Spiel als Budget-Titel veröffentlicht wird. Warum? Ganz einfach: Es ist im Grunde genommen ein Add-On von Tropico 3 mit Verbesserungen und Ergänzungen, was als vollwertiges Stand-Alone verkauft wird.
Tropico 4 ist kein schlechtes Spiel, Tropico 3 ist es auch nicht. Ganz im Gegenteil. Kalypso nahm zahlreiche Verbesserungsvorschläge und Wünsche aus der Community auf und baute diese ins Spiel ein. Erstmals kann man seine Erfolge als Diktator sogar via Facebook und Twitter veröffentlichen. Was ist neu im Vergleich zu Teil drei? Man kann nun erstmals Waren imoprtieren. Hungert die Bevölkerung, weil El Presidente nicht genug Farmen gebaut hat, kann man einfach Mais importieren und muss ihn nicht mehr selbst anbauen. Vorausgesetzt, die Staatskasse gibt das her. Den Importbutton darf man übrigens bei jeder Fabrik klicken. Soll heissen, wenn ich eine Rumbrennerei baue und selbst keinen Zucker auf der Insel habe, kann ich diesen importieren. Wer das System raus hat, der kann schon recht früh im Spiel sehr viel Geld machen, was die Sache ziemlich einfach gestaltet.
Und Geld ist auch bei Tropico 4 nur am Anfang ein wirkliches Problem. Hat man sich wirtschaftlich konsolidiert und Millionen auf der Bank, ist der Rest keine Herauforderung mehr. Ein Manko, das die Spieleserie seit Teil 1 mit sich herumschleppt. Deshalb ist der Sandkastenmodus auch nicht die große Aufgabe im Spiel. Viel Mühe haben sich die Entwickler dagegen mit der Kampagne gemacht. Die Missionen sind knackig und mit echten Hürden ausgestattet. Da kam schone wirkliche Laune auf. Auch sind Naturkatastrophen wie Wirbelstürme, Vulkanausbrüche und Tsunamis nun nicht mehr nur einfache Texteinblendungen, sondern sie sind schön sichtbar animiert auf der Insel anzuschauen. Havariert ein Öltanker vor der Küste und man entscheidet sich dafür, mit großen Geldbeträgen die Katastrophe abzuwenden, tauchen auf einmal Hubschrauber auf, die über der Öllache Chemikalien versprühen und ein Rettungsschiff erscheint außerdem. Das sorgt für Atmosphäre und macht Spaß.
Neu ist das Kabinett. Man darf nun ein Ministerium bauen und Einwohner der Insel in politische Ämter befördern. Die Idee ist sehr gut, jedoch schlecht umgesetzt. Ich hätte mir gewünscht, dass es eben nicht nur die passiven Boni sind, die einem zugute kommen, wenn man Minister ernennt. Da hätte es mehr sein dürfen, wie Kabinettsrunden mit Abstimmungen und Beratungsdialoge. Schade. Überhaupt merkt man Tropico 4 an, dass die Entwickler es gut gemeint haben und dennoch so viel Raum zur Verbesserung da ist, dass man sich eigentlich wundern muss. Es blieben viele Bau- und Schwachstellen, die einem bereits im dritten Teil übel aufgestoßen sind. So beispielsweise das "Personenlimit". Leben auf Tropico eine gewisse Anzahl an Einwohnern, werden es nicht mehr. Gleiches gilt für das Straßennetz. Ab einer gewissen Meilenlänge muss an anderer Stelle die Straße abgerissen werden, um eine neue bauen zu können. Das ist wirklich sehr schwach.
Dafür gibt es zahlreiche neue Gebäude. Das Atomkraftwerk importiert Uran und wandelt das in Energie um. Gleichzeitig erzürnt das aber die Fraktion der Umweltschützer. Gnädiger gestimmt sind die Ökos, wenn man eine Gartenbaustation platziert. Die dortigen Angestellten forsten Wälder auf und düngen nahe liegende Farmen, was zu mehr Ertrag führt. Die Feuerwache kümmert sich um Brände, die neuerdings auf Tropico ausbrechen. Auch Luxusliner mit reichen Touristen kann man sich zu seiner Insel bestellen. Mit Werbe-Zeppelinen, die über Tropico ihre Runden drehen, lassen sich ein paar Pesos mehr verdienen. Hatte man es im dritten Teil in Sachen Außenpolitik nur mit den USA und der UDSSR zu tun, sind jetzt China, die EU und die arabischen Staaten dazu gekommen. Das ist leider auch nicht mehr als Schmuckwerk, da es hier nur um Handelsvolumen geht. Verärgert man eine Großmacht, dann schicken immer noch nur die USA und die UDSSR Kanonenboote vor Tropicos Küste. Eine Invasion kann man sich allerdings nun erstmals für alle Zeiten vom Hals halten. Einfach ein eigenes Atomprogramm in die Welt setzen und schon traut sich niemand mehr an einen ran.
Die Entwickler versuchen mit Mini-Missionen keine Langeweile aufkommen zu lassen. Wenn man möchte, dann kann man bestimmte Aufträge annehmen. Mal wollen die Kapitalisten eine Bank, die Umweltschützer mehr Begrünung im Stadtbild oder die Klerikalen eine weitere Kathedrale. Kümmert man sich darum, steigt das Ansehen in den jeweiligen Fraktionen. Gleiches gilt für Länder. Verschickt man 2000 Einheiten Rum in die UDSSR, macht das den russischen Bären sehr gewogen. Übrigens: Nach wie vor kann man seine Insel so regieren, wie es einem passt. Man kann sich um alle Begehrlichkeiten der Bevölkerung kümmern und deren Forderungen erfüllen und auch Wahlen zulassen. Dann sind alle glücklich und Presidente führt ein eher ruhiges Leben. Wer es gern härter mag, darf es auch hart haben. Oppositionelle dürfen in den Knast geschickt werden (oder sogar auf offener Straße liquidiert werden), das Kriesgrecht kann man ausrufen und die Geheimpolizei darf Telefongespräche abhören. Aufstände können nun ausbrechen. Ist das Militär noch auf meiner Seite oder droht ein Putsch? Als Presidente sollte man das alles bedenken.
Fazit: Tropico 4 ist Tropico pur. Wer die anderen Teile mochte, wird auch diesen lieben. Zwar ist dieser Part sehr viel ausgereifter als Tropico 3, mehr als ein gutes Add-on ist er leider nicht. Ob man dafür wirklich den Vollpreis zahlen will, muss jeder Fan für sich selbst entscheiden. Ich habe es nicht bereut. Das Spiel hat trotz seiner Schwächen Charme und Suchtpotenzial. Entscheidungen, die El Presidente trifft, werden von den Radiokommentatoren mit Sprüchen gewürdigt. Zoomt man in die kleine Stadt rein und beobachtet sein Volk beim Tagwerk, ist die Identifikation mit "seinen Leuten" längst da. Es bleibt aber zu hoffen, dass Kalypso für den fünften Teil nun endlich mal neue Pfade beschreitet.
Gesamtwertung: 75 %
vBulletin-Systemmitteilung