• NorbSoftDev: Scourge of War - Gettysburg REVIEW

    Die Schlacht von Gettysburg ist ein zentrales Ereignis in der amerikanischen Geschichte. Vom 1. Bis zum 3. Juli 1863 prallten hier die Hauptarmeen der Nord- und der Südstaaten aufeinander und schlachteten sich die drei Tage lang gegenseitig ab.

    Der Süden mit General Lee war nicht in der Lage, die Linien der Nordstaatentruppen zu durchbrechen. Unter schweren Verlusten zogen sich die Konföderierten nach Virginia zurück, was als Anfang vom Ende der Südstaaten interpretiert wird. Vor zwölf Jahren hatte ich die Gelegenheit und konnte mir das Schlachtfeld in Gettysburg in Pennsylvania einmal anschauen. Beeindruckt hat mich die schiere Größe des historischen Kampfortes.

    Dass es sich hier nicht nur um ein einfaches Feld, sondern um eine meilenlange Gefechtslinie handelte, hat das Spiel Scourge of War: Gettysburg (hier kurz SoW genannt) des kleinen Entwicklerstudios Norb Software Development sehr gut eingefangen. In Zusammenarbeit mit Matrix und Slitherine vertreibt das brandneue Triumvirat das Strategiespiel nun direkt über die Taktikexperten von Matrix. Wir haben das zum Anlass genommen, sowohl das Hauptspiel, als auch die beiden Erweiterungen Antietam und Pipe Creek jetzt genauer unter die Lupe zu nehmen.

    Bei SoW handelt es sich um ein Echtzeitstrategiespiel mit isometrischer Karte. Dort schickt man seine Einheiten direkt über das Gefechtsfeld gegen den Feind. Wer jetzt denkt, dass es sich um ein einfaches Strategiegemetzel á la Total War handelt, der liegt grundfalsch. Viel mehr erinnert mich SoW an Sid Meiers Gettysburg aus dem Jahre 1997. Die Älteren erinnern sich ganz sicher. Um es deshalb direkt zu sagen: wer sich mit SoW befasst, der sollte eine größere Portion Zeit mit im Kampfgepäck haben. Allein das Tutorial, das man unbedingt vor Schlachtbeginn durchlaufen sollte, ist sehr ausführlich und braucht seine Zeit. Hat man das aber hinter sich gebracht, kann man sich ins Getümmel stürzen.



    Im Hauptspiel stehen eine ganze Reihe an Teilszenarien zur Schlacht von Gettysburg zur Verfügung. So kann man beispielsweise den legendären Angriff des Generals Pickett am dritten Tag der Schlacht gegen das Zentrum der Unionsarmee nachspielen. Oder man klettert eine Stufe höher und übernimmt direkt ein ganzes Korps. Hier bietet SoW auch “Was wäre wenn”-Situationen an. In einem Szenario kann man beispielsweise General Jackson spielen, der die Schlacht bei Chancellorsville überlebte und nun sein Korps zum Angriff auf Gettysburg führt. Ich führe hier ein Beispielszenario an, als ich als General Henry Heth eine Division am ersten Tag der Schlacht übernahm und gegen die Stadt führte.



    Als Divisionskommandeur stehen mir eine ganze Reihe an Brigaden zur Verfügung, die sich wiederum aus mehreren Regimentern zusammensetzen. Brigaden werden von Offizieren geführt, die sich jeweils unabhängig auf der Karte bewegen. Auch man selbst sitzt auf einem Pferd und kann seinen General beliebig über das Schlachtfeld reiten lassen. Je näher man an der Front ist, desto eher gibt es Boni (Moral) für die vorne kämpfenden Einheiten. Wagt man sich aber zu weit vor, läuft man in Gefahr erschossen oder gefangen genommen zu werden. Zu Kampfbeginn hatte ich zwei Brigaden auf dem Schlachtfeld. Links die des General Davis und rechts kämpfte General Archer. Zunächst habe ich also die verstreuten Regimenter von Davis zusammengeführt und eine Linie gebildet. Gleichzeitig habe ich Archer rechts freie Hand gelassen, um die dortige Unions-Brigade zu beschäftigen. Meine Aufgabe war es, einen bestimmten Punkt einzunehmen und eine Weile zu halten. Nach kurzer Zeit kam General Pettigrew mit seiner Brigade (vier frische Regimenter) an und verstärke meine Division erheblich. Ihn schickte ich ebenfalls nach rechts, um Archer bei der Vernichtung der Iron Brigade zu unterstützen.



    Hinten stand Divisions-Artillerie aller Kaliber, die den Feind weiter vorne unter Beschuss nahm. Also zog ich die Batterien mit den kleineren Kalibern nach vorne und mischte den Gegner per Mittelstreckenbeschuss auf. Die rechte Flanke überließ ich den KI-Generälen, die sich prächtig schlugen. Links griff ich höchst persönlich an und konnte nach rund einer Stunde die Schlacht für mich entscheiden. Die einzelnen Regimenter sollte man, bevor man sie ins Verderben schickt, genauer anschauen. Mit einem Klick aufs Regiment kann erlesen werden, wie erfahren die Truppen sind, wie viel Munition sie noch haben, wie stark erschöpft sie sind und welche Waffe sie benutzen (Reichweite). Außerdem spielt die Moral eine große Rolle. Entsprechend sollte man das Regiment einsetzen. Hat sich eine Einheit leer geschossen, kann man sie wieder durch einen Trosswagen aufmunitionieren. Auch lassen sich Regimenter direkt Befehle erteilen. Man kann sie bewegen und ihnen einen Formationsbefehl geben (Linie, Kolonne, Skirmish, etc.). Will man das mit der ganzen Brigade machen, klickt man den Kommandeur an und erteilt ihm entsprechende Befehle. Man sieht dann direkt, wie die Brigade die Regimenter einsammelt und die erteilten Befehle umgesetzt werden. Gleiches gilt für den Korpskommandeur. Bewegt man eine ganze Division, setzen sich ganze Heerscharen in Bewegung, was sehr nett ausschaut. Hier ist beispielsweise der Befehl “Use roads” sinnvoll, der die Truppen auf die Straße schickt und schneller vorrücken lässt. Doch Vorsicht: schickt man zwei Divisionen über die gleiche Straße, vernachlässigt man erstens die Flanken und zweitens kann man ein echtes Chaos verursachen. Strategische Denke ist hier zwingend erforderlich.



    Die Gefechte laufen atmosphärisch außerordentlich dicht ab. Man steckt in der Schlacht drin. Man betrachtet seine Truppen, schickt sie gegen den Feind begleitet von Kanonendonner. Meldereiter huschen durch die Szenerie und bringen Nachricht von General Lee oder anderen Truppenführern, die ihr Kommen auf dem Schlachtfeld ankündigen (man kann selbst auch Meldereiter verschicken, was ganz nützlich ist, wenn man viele Truppenteile unter seinem Kommando hat). Gleichzeitig weiß man einfach nicht, was einen erwartet. Man hat nur begrenzte Aufklärung, gerade in der Schlacht um Gettysburg fehlte ja in der Anfangsphase der Schlacht Jeb Stuarts Kavallerie. Spielt man die Nordstaaten, hat man es da etwas einfacher. Deshalb muss man auch seinem Instinkt folgen, ob man die Truppe nun über die Straße oder querfeldein schickt. Ob man sie in Kolonne lässt, oder doch lieber frühzeitig in eine Doppellinie umformiert und somit kampfbereit macht. Das ist Nervenkitzel pur. Erscheint dann unerwartet eine feindliche Brigade tief in der eigenen Flanke, dann bilden sich so langsam Schweißperlen auf des Generals Stirn. Und genau das macht dieses Spiel aus. Strategischer Tiefgang gepaart mit Realismus und Sorge um die eigenen Einheiten.



    Abstriche muss man bei der Optik machen. Die Schlachtfelder sind detailgetreu ihren historischen Vorbildern nachgebildet. Man findet Straßen, die klassischen nordamerikanischen Zäune, die das Vorrücken der eigenen Soldaten verlangsamen. Es gibt dichte Wälder, Bachläufe, Hohlwege und natürlich auch die Stadt Gettysburg bzw. das Dorf Sharpsburg mit zahlreichen Gebäuden in der Antietam-Erweiterung. Nach Artilleriebeschuss können Häuser auch mal in Brand geraten. Das hat was. Die Karte ist isometrisch und man kann die Kamera in 360 Grad herumschwenken und frei zoomen. Die Regimenter sind zweidimensionale Sprites. Das mag Total-War-verwöhnten Augen zunächst etwas altbacken vorkommen. Aber man gewöhnt sich daran und im Endeffekt reicht die Darstellung der Einheiten zu diesem Zwecke vollkommen. Pulverrauch und einfach animierte Artillerieeinschläge tun ihr übriges zur gelungenen Präsentation der Schlachtensimulation.



    Neben dem Hauptspiel werden die Erweiterungen Antietam und Pipe Creek angeboten. In Antietam kann man sich an die große Schlacht aus dem Jahre 1862 wagen, die seinerzeit zwischen den Generälen Lee und McClellan in Maryland ausgefochten wurde und in einem Unentschieden endete. Spielerisch gibt es zum Hauptprogramm keine Unterschiede. Die Karte ist natürlich eine andere und auch die Order of Battle ist dem historischen Szenario angepasst. Wer dazu die Nerven hat, darf sogar die gesamte Armee des Nordens oder der Konföderation übernehmen. Das kann dann durchaus in echte Arbeit ausarten. Das Addon Pipe Creek behandelt ein alternatives Szenario zur Gettysburger Schlacht. Zudem lassen sich anhand des programmeigenen Builders auch eigene Gefechte erstellen oder User-Scenarios importieren. Lohnenswert ist der Multiplayer. Hier darf man entweder gegen menschliche Kontrahenten antreten. Oder man übernimmt mit Kumpels verschiedene eigene Einheiten und tritt gegen die KI an.



    Übrigens: Wem SoW irgendwie bekannt vorkommt, der liegt nicht falsch. Seinerzeit hatte das Entwicklerstudio Mad Minute die beiden Take Command-Spiele herausgebracht. Norb Software Development ging aus Teilen des alten Entwicklerteams hervor und setzt die Bürgerkriegsreihe fort.



    Fazit:
    Scourge of War: Gettysburg ist ein echter Pflichtkauf für Strategie- und Taktikfreunde. Spieler, die sich mit der Thematik des Amerikanischen Bürgerkriegs auskennen, werden begeistert sein. Historische Kommandeure und detailgetreue Einheiten, liebevoll gezeichnete Szenarien und Schlachtkarten lassen das graue oder blaue Herz des Gamers höher schlagen. 33 Euro kostet die Box-Version des Hauptspiels, die Antietam-Erweiterung kostet als Box 25 Euro. Pipe Creek ist für 17 Euro zu haben. Ein echter Hit und die Investition wert!

    Grafik, Animation & Sound 6,5/10

    Die optische Erscheinung der Simulation ist der einzige echte Schwachpunkt der Simulation. Die isometrischen Karten sind zwar detailgetreu und auch liebevoll gezeichnet, aber eben nicht grafischen Ansprüchen des Jahres 2012 mehr genügend. Die Regimenter als 2D-Sprites durch die Gegend laufen zu lassen ist auch nicht mehr zeitgemäß. Dennoch tut das dem Spiel keinen echten Abbruch, da man sich an die Optik gewöhnt und nach einer Weile sowieso zur Erkenntnis gelangt, dass das für den Zweck vollkommen in Ordnung ist. Der Sound ist passend gewählt und dem Szenario entsprechend. Schlachtenlärm, klingendes Spiel bei marschierenden Einheiten und Kanonendonner tragen zur Atmosphäre bei.

    Steuerung & Interface 8/10
    Am Anfang steht man wie der Ochs vorm Berg vor den Befehlsmenüs. Nach dem absolut notwendigen Tutorial erscheint das vermeintlich hochkomplizierte viel zweckmäßiger. Hin und wieder kann es schon etwas fummelig werden, wenn man seine versprengte Division zusammenrufen will. Aber hier macht Übung den Meister.

    Atmosphäre 9/10

    Die Atmosphäre ist sehr dicht auf dem virtuellen Schlachtfeld. Man zittert mit und hofft, dass die getroffenen Entscheidungen zum Erfolg führen. Kanonendonner und Pulverrauch, Meldereiter, die Nachrichten von anderen Frontabschnitten bringen, und die eigenen Regimenter, die mit wehenden Flaggen ins Gefecht ziehen, lassen einen hin und wieder vergessen, dass man hier nur ein Spiel spielt.

    Spielumfang 8,5/10

    Die Schlacht von Gettysburg wird hier in einzelnen Szenarien dargestellt. Quasi Teilgefechte im Rahmen der großen Bataille. Im Antietam-Szenario darf die jeweilige gesamte Armee gesteuert werden. Auch mit den Teilszenarien wird man lange genug beschäftigt sein. Allein Pickets Charge ist eine so große Unternehmung, die einen Stunden am PC halten wird.

    Künstliche Intelligenz 9/10

    Keinerlei Aussetzer konnte ich im Rahmen meiner Testspiele bei der KI beobachten. Ganz im Gegenteil. Greift die KI an und ist in Fahrt, dann kann man sich warm anziehen und gerät echt ins Schwitzen. Greift man selbst an, dann verhält sich die verteidigende KI intelligent, opfert nicht sinnlos Einheiten und zieht sich im rechten Moment zurück. Das motiviert!

    Gesamtwertung: 82%


    Scourge of War: Gettysburg und die beiden Add-Ons sind erhältlich bei -> Matrix Games <-



    Testsystem: Intel core i5 - 8GB Ram - GTX560 - Auflösung 1920 x 1080 ->Folgt uns auf Twitter<- ->Besucht uns auf Facebook<-

    Kommentare 4 Kommentare
    1. Avatar von Vasquez
      Vasquez -
      Wollte ich schon lange haben. Nun, da es schöne Boxen gibt, werde ich mir den Tiel samt den beiden Add-Ons holen. Schon alleine wegen dem Cover-Art brauche ich die Dinger in meinem Regal. Lang lebe Dixie =)
    1. Avatar von Tribun76
      Tribun76 -
      Sobald du es hast, legen wir im Multiplayer los. Entweder zusammen gegen General Meade. Oder ich nehm die Yankees und zertrete Lee wie einen Wurm!
    1. Avatar von Vasquez
      Vasquez -
      Habe mir gleich die ganze Box-Collection bestellt. Gab dann noch 10% Rabatt im Bundle. Gestern den ersten Teil des Tutorials angefangen. Habe dann heute Abend auch ein paar Fragen an dich Und sobald ich Fitt bin treibe ich deine Yankees bis nach Washington =)
    1. Avatar von Bronko1940
      Bronko1940 -
      Hallo,
      wir spielen das Spiel seit Anfang 2010 recht regelmässig im Multiplayer. "Wir" soll heissen Greni und 4-5 andere im www.gametwitter.de Forum. Es besteht auch Kontakt zur US-Community. Ausserdem sind eine Vielzahl an AAR's geschrieben worden. Schaut doch mal vorbei.
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