• Slitherine: Commander - The Great War REVIEW

    Zwei Wochen nach unserem Preview zu "Commander - The Great War" nutzen wir nun den Release des Titels, um einen genaueren Blick auf das Spiel zu werfen. Das Entwicklungsstudio "The Lordz Games Studio" hat ja bereits einige Zeit an den dritten Titel ihrer Commander-Serie gearbeitet und zwischenzeitig kam mir schon der Gedanke auf, warum sich der Veröffentlichungstermin so hinzieht. Hatten die Developer nach dem Releasemarathon ihrer preisgekrönten Panzer Corps Serie samt DLC´s keine Ressourcen frei, oder wägt man sich nach den letzten Verkaufsschlagern nun schon im Softwarehimmel und geniesst den Erfolg? Nichts alledem íst der Fall. "Commander - The Great War" (Im nachfolgenden Review mit C:TGW abgekürzt) ist ein richtiger Strategiekracher geworden, obwohl man auf dem ersten Blick eher mit einem sogenannten "Beer & Bretzels" Wargame rechnen würde.

    Wie bereits in unserer Spielvorschau dargelegt, behandelt C:TGW den ersten Weltkrieg und der Spieler hat wahlweise die Möglichkeit, entweder die Tripple Entene (Frankreich, Grossbritanien, Russland, Italien, Serbien, Rumänien, Portugal und die USA) oder die Mittelmächte (Deutsches Reich, Kaiser-und Königreich Österreich-Ungarn, Osmanisches Reich und Bulgarien) durch den Krieg, der alle Kriege beenden sollte, zu führen.

    Mein Anspruch an C:TGW war recht hoch, ging ich doch davon aus, dass hier eine ernsthafte Steigerung gegenüber den beiden ersten Teile der Serie geliefert werden sollte. Mit "Commander: Europe at War" und "Commander: Napoleon at War" konnte ich niemals ernsthaft warm werden. Zu oberflächlich und durchschnittlich waren diese beiden Titel und die KI hatte mich anno dazumal auch nicht besonders vom Hocker gerissen. Da gab es besseres auf dem Markt.

    C:TGW ist rundenbasiert (IGo-UGo) und bietet fünf Kampagnen je Mächteblock. Die längste Kampagne startet natürlich 1914 mit dem Ausbruch des Krieges zwischen dem KuK Österreich-Ungarn und Serbien, und würde maximal bis Anfang 1919 ausgetragen werden können. Eine Spielrunde umfasst zwei Wochen, abgesehen vom Sommer/Herbst 1914. Hier umfasst eine Spielrunde nur eine Woche, um die anfänglichen Manöver und raschen Raumgewinne wiederzuspiegeln, bis der ganze Konflikt allmählig in den Grabenkrieg überging. Die Auswahl an Einheiten ist übersichtlich und recht einfach gehalten. Es gibt zwei Arten von Infanterie (Reguläre und Garnisonen), die man eher als Armeen und Korps betrachten sollte. Dazu Kavallerie, Artillerie und Eisenbahngeschütze, drei Arten von Flugzeugen bzw Luftschiffen, Schlachtschiffe, Kreuzer und U-Boote sowie gepanzerte Automobile und die ersten Tanks (für die letzten Kriegsjahre).



    Das navigieren auf der Strategiekarte ist sehr intuitiv und das Userinterface ziemlich aufgeräumt und nachvollziehbar. Dennoch dürfte es nicht schaden, das mitgelieferte Tutorial durchzuarbeiten, bevor man sich an seine erste Kampagne wagt. Einheiten dürfen pro Runde grundsätzlich einmal bewegt werden und anschliessend eine Kampfhandlung durchführen, wobei nicht bewegte Einheiten keinen Mali erhalten. Etwas suboptimal empfand ich die Tatsache, dass Einheiten nur einmal pro Runde bewegt werden dürfen. Zwischenstopps (zum Beispiel mit der Kavallerie) sind nicht möglich. Will heissen, dass dass nicht sofort aufgebrauchte Bewegungspunkte verloren gehen, wenn man die Einheit nicht gleich über die maximal mögliche Reichweite zieht. Grundsätzlich ist dies nicht weiter schlimm, quält man sich eher nur von Hex zu Hex. Lediglich in den weiten Russlands hatte ich diese Option vermisst. Eine "Undo" Funktion fehlt allerdings. Also sollte man seine Bewegungen vorausschauend planen.

    Das Stapeln von Einheiten auf den Hexfeldern ist nicht möglich. Es darf immer nur eine Einheit ein Hexfeld besetzen. Allerdings gibt es eine nette Funktion, die das Tauschen von Stellungen erlaubt. So können Einheiten aus der Reserve direkt mit Fronttruppen durchwechseln, ohne ihre Aktionspunkte aufzubrauchen. Bahnkapazitäten, welche auch ausgebaut werden können, erlauben das schnellere Verlegen von Truppen. Die Bahnkapazitäten sind allerdings sehr begrenzt. So kann Beispielsweise selbst das Deutsche Reich je Spielrunde nur zwei Einheiten per Eisenbahn transportieren, sofern hier nicht weitere Investitionen vorgenommen werden.



    Weitere strategische Ressourcen sind die Produktionskapazitäten, die Manpower und die Munition. Produktionskapazitäten werden durch die Städte generiert. Hier wurden historische Tatsachen berücksichtigt. So ist zum Beispiel St.Petersburg für die Russen nicht nur Hauptstadt, sondern auch Industriezentrum. Moskau spielte damals noch keine allzugrosse politische oder industrielle Rolle.

    Besonders gut fand ich die Einbindung der Manpower. Diese wird nicht nur zum aufstellen von Einheiten oder zum ausgleich von Verlusten benötigt, sondern auch für die Industriekapazität. Wer fröhlich vor sich hin Einheiten aufstellt wird bald feststellen, dass seine Industriekapazität darunter leidet. Steigen dann auch noch die Verluste, was einen weiteren Abfall an Manpower zu Folge haben wird, kann dies ernste wirtschaftliche Folgen nach sich ziehen. Bei meiner langen Kampagne sah ich mich 1917, nachdem ich Russland aus dem Krieg werfen konnte, sogar gezwungen einige Einheiten wieder aufzulösen.

    Bleibt noch die Munition. Diese wird hauptsächlich für die Artillerie verwendet. Artillerie ist in C:TGW etwas abstrakter zu betrachten. Artillerieeinheiten wird man nicht allzuviele haben, stellen diese eher Artilleriekonzentrationen und Massierungen dar. Von planlosem Artilleriefeuer wird man sehr schnell Abstand nehmen, kosten diese unmengen an Munition. Groß angelegte Artillerieinsätze sind wirklich nur für geplante Offensiven und Druchbruchsschlachten anzuraten.



    Ein weiteres Spielfeature stellt die Forschung dar. Grundsätzlich verläuft die Forschung recht linear und der Spieler hat nur geringe Möglichkeiten hier Einfluss zu nehmen. Investiert man Produktionspunkte in ein Forschungsobjekt, erhält dieser einen Bonus, welcher aber zu Lasten anderer Projekte der jeweiligen Forschungskategorie geht. Sofern man genügend Produktionspunkte angespart hat, kann man auch weitere Forschungslabors für die Kategorien Bodentruppen, Artillerie, Marine, Luftfahrt oder Fahrzeuge eröffnen. Weitere Labors erhöhen die Forschungsgeschwindigkeit, kosten aber ein ordentliches Sümmchen und die Unterhaltskosten sollte man auch nicht ausser Acht lassen.

    Wurde eine neue Technologie oder Verbesserung erforscht, kann man die Fronttruppen durch den Einsatz von Produktionspunkten aufwerten. So wird die Artillerie immer schlagkräftiger (was sich auch optisch auf die Einheiten auf der Karte auswirkt) oder kann Giftgas zum Einsatz bringen. Infanterie erhält bessere Waffen (wie Flammenwerfer) oder Angriffsdoktrien. Die Flugzeugentwicklung schreitet voran und schlussendlich klappern sogar die ersten Tanks über die Schlachtfelder Westeuropas.



    Weitere Spielfeatures stellen historische Generäle, die nationale Moral und die Diplomatie dar. Letzteres ist recht rudimentär gehalten. Besonderen Einfluss kann man auf andere bzw neutrale Nationen nicht nehmen, abgesehen davon, ihnen bei Bedarf vorzeitig den Krieg zu erklären. Hier haben sich die Entwickler im grossen und ganzen an die historischen Ereignisse bzw Kriegsbeitritte gehalten. Es gibt lediglich kleinere Ausnahmen. Wenn man beispielsweise mit der U-Boot-Waffe des Deutschen Reiches übermässig viel Tonnage macht, triggert der Kriegeintritt der USA etwas früher.

    Feldmarschälle oder geschichtlich besonders relevante Kommandeure geben den zugewiesenen Einheiten einen weiteren Bonus und stehen nach und nach zur Verfügung. Meist ist ein gewisses Ereigniss oder ein besonderer Erfolg Voraussetzung dafür. Die Jagdfliegerasse Oswald Boelke oder von Richthofen werden aktiviert, sobald eine bestimmte Anzahl von feindlichen Flugzeugen abgeschossen wurden. Der deutsche Feldmarschall August von Mackensen hat das erforschen einer bestimmten Infanterietaktik zur Voraussetzung. Schlussendlich bleibt noch der Faktor der nationalen Moral. Hohe Verluste, der Untergang einer Flotte oder entscheidende Niederlagen auf dem Schlachtfeld beeinflussen diesen Wert. Ich selbst hatte aber bei meinem Testspiel keinen grossen Augenmerk auf die Moral gelegt. Nur die KuK Truppen hatte ich öfters mal im Auge, fiel die Moral Östereich-Ungarns einige Male auf unter neunzig Prozent.



    Was mir an "Commander - The Great War" so gut gefallen hat war die stimmige Mischung aus Rundenstrategie, Kriegsführung und der Administration. Irgendwie spielt sich C:TGW richtig flüssig und leichtgängig, bietet aber doch genug Tiefgang um mehrere Tage nacheinander gebannt die Kampagne voran treiben zu wollen. Für eine Runde benötigte ich im Schnitt fünf bis zehn Minuten. Die Atmosphäre ist ansprechend. Das Einbinden der Marine ist gelungen und nicht völlig überbewertet wie in anderen Titeln. Es sieht auch Schick aus, wie sich die Einheiten immer weiter eingraben und nach einigen Monaten erstrecken sich weit angelegte Gräben und Stellungssysteme an den Fronten.

    Was ich bemängeln würde ist die Tatsache, dass die Karte für meinen Geschmack nicht weit genug herangezoomt werden kann. Ich hatte zwar diverse Versuche unternommen, von meiner Desktopauflösung abzuweichen, was aber grafisch einen nicht einwandfreien Eindruck hinterliess. Kein Gamebreaker aber ich wäre eben manchmal näher am Geschehen dran. Auch erscheint mir das Balancing nicht zu einhundert Prozent gelungen. Das deutsche Reich wirkt für mich etwas zu schwach, was aber durch eine relativ und unverhältnissmässig starke KuK Industrie ausgeglichen wird. Auch erscheint mir der Bündnisspartner Bulgarien Manpowermässig etwas zu gut bestückt. Rumänien konnte ich in einer Runde niederwerfen. Die Briten erschienen mir im nahen Osten etwas zu passiv. Ich hatte keine Probleme, sie mit den Türken an der Sinai Halbinsel festzunageln. Muss aber nichts heissen. Mal sehen was beim nächsten mal geschieht.




    Fazit:
    Wer hätte das gedacht. Ein klarer Aspirant für den Award "Bestes Wargame 2012". Das Spiel kann jedem Strategiespiele Fan empfohlen werden und nicht nur reinen Weltkriegs-Wargamern. Multiplayersessions mit einem Kumpel über die PBEM++ Server von Slitherine versprechen lustige Abende.

    Grafik, Animation & Sound 5,5/10
    Die Grafik ist nur durchschnittlich. Hier kann ich auch nicht einen "Indie" oder "Low Budget" Bonus geben, da C:TGW ein Vollpreistitel ist (42 Euro in der Boxversion mit gedrucktem Handbuch) und darauf ausgelegt ist, wie Panzer Corps eine breitere Masse an Spielern anzuziehen. Die Soundeffekte sind jedoch recht gut und die musikalische Untermalung ausgezeichnet. Die niedrige Grafikwertung zieht das Gesamtergebnis leider etwas herunter.

    Steuerung & Interface 9,5/10
    "The Lordz Games" ist scheinbar einer der ganz wenigen Studios, die ihre Spiele auch selber spielen. Deren Benutzeroberflächen gehören zu den besten. Zugegeben, der eine oder andere Button hätte schon etwas grösser ausfallen können und eine "Undo"-Funktion fehlt auch. Aber dennoch ist das Interface einwandfrei und selbsterklärend.

    Atmosphäre 9/10
    Der Grabenkrieg und die Nöte der Kriegsparteien kommen gut rüber. Events bereichern das Spiel. Etwas mehr Sprachausgaben, zum Beispiel bei besonderen Ereignissen, hätte noch gut getan.

    Spielumfang 10/10
    Fünf Kampagnen je Mächteblock bei ansprechenden Rundenzeiträumen sowie Multiplayer. Hoher Wiederspielwert aufgrund zahlloser strategischer Optionen. Warum also von der erreichbaren Höchstpunktezahl abwerten?

    Künstliche Intelligenz 8/10
    Die KI erfüllt ihre Pflicht und ist gegenüber den ersten Titeln der "Commander"-Serie spürbar verbessert worden. Abgesehen von der etwas passiven britischen KI im nahen Osten hielt sie mich ordentlich auf Trab.

    Gesamtwertung: 84%


    Testsystem: Core2Duo 8400 - 4GB Ram - GTX560Ti - Auflösung 1920 x 1080 ->Folgt uns auf Twitter<- ->Besucht uns auf Facebook<-

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